Ich leite zusammen mit Isaac eine Weiterbildung für Young Farmers. In der Frühstückspause sagt mir einer der Teilnehmer mit seinem breitesten und charmantesten Lächeln nach ein bisschen Small Talk:
„I also want to be as fat as you are.“
Young Farmer
An dieser Stelle möchte ich zuallererst Véro für ihre Geschichte danken. Das hat mich nämlich in dieser Situation vor einem äusserst peinlichen Missverständnis bewahrt. Trotzdem hab ich zuerst mal geschluckt.

Hier ist das nämlich ein Kompliment. Wenn jemand zunimmt, ist das ein gutes Zeichen. Hier leben genügend Menschen, die wissen was es heisst, Hunger zu leiden. Und wisst ihr was? Ich hab mich noch nie so wohl in meinem Körper gefühlt wie jetzt. Und dafür musste ich nach Afrika…
Was ich hier generell sehr schätze ist, dass ich dieses Taxieren und Bewerten von Aussehen und Kleidung – zumindest in der Gegend, in der ich wohne – nicht wahrnehme. Vielleicht bin ich blind, weil es anders stattfindet. Vielleicht bin ich die Ausnahme, weil die einzige Musungu weit und breit. Aber ich höre viel mehr Komplimente, für alle. Und da ich ja zur Fraktion „direkte Kommunikation“ gehöre, nehme ich das immer alles wortwörtlich. Geht runter wie Honig. Besonders geschätzt wird, wenn ich Kleider aus Chitenge trage – und wie ihr wisst, liebe ich diese Kleider, besonders jetzt, wenn es so richtig heiss ist.
Es gibt ein paar Grundregeln bzgl. Hygiene und Sauberkeit, z.B. nach einem Gang durch den Bush wäscht man sich die Füsse, da sie staubig sind. Aber wenn man nicht viel Geld hat, dann ist die Alltags-kleidung halt auch mal ein bisschen kaputt, die Schuhe haben leider keine gute Qualität und halten auch nicht lange. Und bei so viel Staub hier, setzt sich dieser – da führt kein Weg vorbei – in der Kleidung fest (weshalb Frau sich und die Kleidung mit Chitenge – Wickeltuch – schützt, auch vor respektlosen Autofahrern, die eine enorme Staubwolke hinter sich her ziehen).

Was mich sowieso total fasziniert, ist diese Selbstver-ständlichkeit im Auftreten, dieses Selbstbewusstsein. Ich frage mich, ob das mit dem – wir sind „Traglinge“ und keine „Nestlinge“ – zu tun hat. Ihr wisst schon, die Kinder werden einfach mit einem Chitenge Tuch auf den Rücken gebunden und überall hin mitgenommen. Und das Selbstwertgefühl hat Zeit sich zu entwickeln und zu wachsen, da dieses gegenseitige Bewerten nicht (oder weniger?) stattfindet. Das würde wahrscheinlich vielen jungen Menschen in Europa, die an diversen Essstörungen leiden, sehr helfen.
Nicht dass hier nicht auch schlimme Dinge passieren, das möchte ich keinesfalls negieren. Dafür bin ich zu nahe dran, schwangere (teilweise verheiratete) Vierzehnjährige und wenn der Clinic Officer das der Kinderschutzbehörde meldet, passiert … nichts. Trotz neuem Kinderschutzgesetz seit September 2022. Vergewaltigungen; prügelnde Eltern; Männer, die jede Frau schwängern, die nicht bei drei auf dem Baum ist. Ich bin nicht blind. Aber es gibt eben auch diesen anderen für die Entwicklung positiven Teil, den ich sehr schätze.


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