Kein Strom – kein Wasser – kein Mobilfunk – keine Toilettenspülung – kein Kühlschrank – kein …
Mein letzter Post ist lange her, viel zu lange. Und es gibt keine Entschuldigung dafür. Oder doch?
Die Situation hier in Sambia ist im Moment nicht einfach. Warum? Der Lake Kariba (Stausee) ist leer. Wir haben keinen Strom mehr. Wenn da kein Strom ist, dann haben die Mobilfunkantennen nach einigen Stunden auch keinen Diesel mehr für den Generator (genset) und dann ist Funkstille.

Ja, ja, man könnte auch Solarpanels installieren. Das stimmt. Und Zamtel, einer der drei Mobilfunkanbieter hat seine Antennen auch so ausgerüstet. Nur leider sind die beiden anderen grossen MTN und airtel noch nicht so weit. Und die gensets sind für 4 Stunden ausgerichtet, nicht für 12 Stunden oder mittlerweile noch länger. Und die Anpassungen gehen auch nicht von heute auf morgen. Logisch. Aber immerhin arbeiten sie daran.

So, was ist nun die aktuelle Situation? Begonnen hat das Loadshedding (geplante Stromabschaltungen) im März, wenn ich mich richtig erinnere; d.h. bereits am Ende der Regenzeit, in der wir eine 6wöchige Dürre hatten (Februar / März). Und der nächste Regen wird erst im Oktober erwartet. Was ich bis jetzt so gehört habe ist, dass drei gute Regenzeiten nötig sind, um den Kariba wieder anständig zu füllen.
Die Herausforderungen sind gross, denn ZESCO (die sambische Stromgesellschaft) veröffentlicht zwar regelmässig (jeden Sonntag) den timetable für die nächste Woche; nur um sich dann nicht daran zu halten. Oft kommt der Strom – wenn er kommt – mitten in der Nacht. Das führt dazu, dass mir viele Leute erzählen, sie schlafen mit eingeschalteten Lampen, damit sie aufwachen und alles erledigen können, so der Strom vielleicht kommt. Viele Gegenden und die meisten Stadtteile in Lusaka sind teilweise 3 bis 4 Tage ohne Strom.
Die Wirtschaft, die sich langsam in einem Aufwärtstrend bewegt hatte, stürzt nun total ab. Vieles benötigt heutzutage einfach Strom. Viele Leute haben ihre TV Abos nicht mehr erneuert. Der grosse Anbieter DSTV gerät ins Schlingern. Viele kleine Radio- und Fernsehstationen leiden ebenfalls. Dies hat zur Folge, dass es schwierig ist, an gute Informationen zu kommen. Und die politische Lage scheint im Moment fragil zu sein. Es gibt Kämpfe zwischen dem letzten und dem aktuellen Präsidenten. Und im Moment gewinnt man den Eindruck, dass der aktuelle Präsident auch vor allem auf Betteltour für Geld ist und wenig eigene Ideen zur Problemlösung der diversen Probleme im Land beiträgt.
Lebensmittelhygiene ist ein anderes Thema. Die Kühlketten werden nicht mehr eingehalten. Und jetzt wird es richtig heiss. Letzte Woche hatten wir 37 Grad. Ich werde mittlerweile quasi zur Vegetarierin. Fleisch aus dem Supermarkt ist ein No-Go. Ich habe mir sogar in einer richtig guten Lodge eine üble Magenverstimmung geholt, da ich den Fehler beging und Fleisch bestellte. «Quasi» deshalb, da ich bei uns auf dem Land lebende Hühner kaufe und die erst direkt vor dem Kochen geschlachtet werden. Gleiches gilt für Ziegen. Milch kaufe ich nur noch die «tote» UHT Milch und Margarine, die nicht mal im Kühlschrank aufbewahrt werden muss.
Handwerker, wie Tischler oder Metallverarbeiter, sind auf Gensets angewiesen. Oder sie arbeiten in der Nacht, wenn der Strom kommt. Die kleinen Shops und Restaurants mind. für die Kühlschränke ebenfalls. Landwirte mit Viehbestand (lifestock farming) sind genauso auf Strom angewiesen wie die grossen Landwirte mit Felderwirtschaft für die Bewässerung. Über die Minen im Copperbelt reden wir gar nicht.

Wenn in Lusaka die grossen Malls vom Strom genommen werden, funktionieren die Wasserspülungen auf den Toiletten nicht mehr. Hygiene ist ein grosses Problem. Auch bei uns an der Schule. Die Wasserpumpen an den Bohrlöchern funktionieren meistens mit Strom. Bei grösseren Liegenschaften mit mehreren Wohneinheiten sind Pumpen nötig, um das Wasser vom Wassertank zu den Häusern zu bekommen, oder eben nach oben, wenn es mehrere Stockwerke hat.
Wenn der Mobilfunk nicht mehr funktioniert, dann funktioniert der Zahlungsverkehr nicht mehr. Die Zahlterminals für Karten sind zwar geladen, aber haben kein Netz. Mobile Money geht auch nicht. Wieder wird Business verhindert. Dann funktionieren die ATMs nicht mehr, kein cash. Die Banken sind offline. Manche Banken schicken Mitarbeitende in die (Zwangs-)Ferien.
Immerhin scheinen die Krankenhäuser bevorzugt behandelt zu werden bei der Stromversorgung. Und Sambia exportiert immer noch Strom in Nachbarländer, um die Verträge einzuhalten. Und richtet dabei die eigene Wirtschaft zugrunde.
Jetzt könnte man ja sagen, investiert doch einfach in Solar. Ja, alle Expats, die hier so rumgeistern, mit ihren mehreren Tausend Dollar Lohn jeden Monat, bezahlten Wohnungen etc., könnten das mit diesen Salären auch ohne Probleme tun. Viele machen das auch (inverter und batteries, aber keine solar panels, d.h. sie laden, wenn ZESCO den Strom liefert…). Andere verlegen sich auf das permanente Reklamieren in den diversen Facebook Gruppen (Expats Zambia etc.). Es gibt aber auch viele, die über mögliche Lösungen diskutieren. Nur vom sambischen Staat hört man bzgl. Lösungsfindung nicht wirklich etwas. Hier sei angemerkt, dass ZESCO eine staatliche Gesellschaft ist, die leider privatwirtschaftlich bzw. ehrlicherweise monopolistisch geführt wird. Und der ZESCO Chef hat wirklich nichts besseres zu tun als allen Sambier:innen zu sagen, sie sollen in Solar investieren. Das ist für 90 % der Bevölkerung ein Schlag ins Gesicht, ein Affront. Warum? Ich gebe mal ein kurzes Rechenbeispiel: Wenn ein Haushalt an ZESCO angeschlossen ist, einen Kühl- oder Gefrierschrank, Lampen, TV und vielleicht sogar einen elektrischen Herd hat, dann benötigt dieser Haushalt 200 – 400 K im Monat für Strom. Ich rede jetzt von einer Familie, die in einem der Compounds in einem kleinen Haus lebt. Diese Familie hat, so sie Glück hat und ein Familienmitglied hat einen Job, ein monatliches Einkommen von 3’000 bis 7’000 K. Davon leben dann i.d.R. 5 bis zu 8 Personen. Davon muss oft die Miete bezahlt werden, das Essen, etc. Eine halbwegs brauchbare Solarlösung, welche die gleichen Geräte im Haus mit Strom betreiben könnte, startet bei ca. 40’000 K. So, nun erklärt mir mal jemand, wie sich eine normale sambische Familie im Compound das leisten kann. Man könnte ja einen Kredit aufnehmen? Genau. Der monatliche Zinssatz für Konsumkredite beträgt 30%. Nein, das ist kein Schreibfehler, 30 % per Monat (Anmerkung: 1 CHF = ca. 30 K).

Und dann kommt noch dazu, dass Solar nur bedingt wirklich ein Ersatz ist. Mein Haus ist ZESCO-unabhängig und ich habe solar panels auf dem Dach, 4 grosse Batterien, einen Inverter; meine Wasserpumpe funktioniert mit den gleichen Solarpanels, Warmwasser habe ich mit einem solar gyser. Und ich koche mit Gas. Wenn ich den Wasserkocher nutzen würde, wären die Batterien sofort leergefegt. Ein E-Herd benötigt Starkstrom, das funktioniert mit den Batterien nicht, deshalb habe ich meinen verkauft. Mikrowelle ist eingemottet. Bei Sonnenschein kann ich mal den Toaster verwenden. Gebügelt wird mit einem 12 Watt Bügeleisen, d.h. Wäsche streicheln, gebügelt ist sie nicht wirklich. Ach ja, Wäsche und Geschirr werden per Hand gewaschen. Ich nutze einen Kühlschrank mit Gefrierfach, Lampen, Laptops, power banks und die Wasserpumpe. Und das Ganze kostet schlappe 65’000 bis 70’000 K. Und ich habe das Privileg, dass ich mir das leisten kann. Für alles andere gibt es Alternativlösungen, z.B. abends zum Lesen am ebook reader bei Kerzenlicht, falls die Batterien für die Nacht nicht genug geladen sind, rechargeable bulbs (aufladbare Glühbirnen in drei Räumen).

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